TANJA SWIECA, HOTELIER
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Es gibt diese Tage an denen widerfährt einem unglaubliches. Man hat unglaubliches Glück und die verloren geglaubte Lieblingskette taucht wieder auf, man hat Glück im Unglück und der Unfall auf der Landstrasse ist nur ein Blechschaden oder man ist unglücklich verliebt und darf sich an der Schulter einer sehr guten Freundin ausweinen. In allen drei Fällen sind wir im Nachhinein doch unglaublich dankbar. Das gute Stück ist uns erhalten geblieben, bei dem Unfall ist niemand zu Schaden gekommen und wie gut wenn man Menschen seine Freunde nennen darf.
Doch wie wichtig ist Dankbarkeit eigentlich? Wie wichtig ist es dankbar zu sein oder auch Dankbarkeit zu empfangen?
Im täglichen Leben verschwindet dieses doch sehr unbestimmte Gefühl häufig. Im Alltagsstress nehmen wir die Dinge häufig oberflächlich wahr. Zwischen wichtigen Terminen, drängenden Reportings und vollem Email-Account bleibt kaum mehr Zeit und Ruhe um sich zu besinnen. Oftmals sind es die stillen Momente in denen wir feststellen dass wir dank der pfiffigen Bürohilfe einen Abgabetermin nicht verpasst haben und dass wir ohne die Schwiegermama kaum mehr wüssten wie wir die Freizeitaktivitäten der Kleinen noch alle unter einen Hut bekommen sollen.
Dann, wenn wir den Tag Revuepassiveren lassen, dann sind wir glücklich und dankbar für diese Menschen und Ihre Unterstützung, dafür, dass es sie gibt.
Doch was ist, wenn es nicht ein anderer Mensch war dem wir etwas zu verdanken haben? Wenn wir dankbar sind für etwas das kein Mensch zu beeinflussen weiss? Die eigene Gesundheit und das Wohlergehen unserer Lieben zum Beispiel – die Dankbarkeit dem göttlichen gegenüber spüren wir doch alle von Zeit zu Zeit. In der Vergangenheit war es üblich in den Kirchen und Gotteshäusern Dankbarkeit in Gottesdiensten zu zelebrieren. Aber gerade in Deutschland scheint dies in den letzten Jahren aus der Mode gekommen zu sein. Dabei ist doch eben die Kirche ein wunderbarer Ort um die Stille zu geniessen, zur Ruhe zu kommen und zu sich selbst zu finden. In sich hinein zu hören und mit Demut auf das Vergangene zu blicken und sich seines Glücks zu besinnen.
Ist nicht vieles in unserem Leben zu einer Art Selbstverständlichkeit geworden? Sauberes Trinkwasser aus dem Wasserhahn, eine Heizung die uns im Winter wärmt, ein Dach über dem Kopf, das neueste Smartphone in der Designerhandtasche, was wir beides auch gern jede Saison erneuern.
Natürlich haben wir hart dafür gearbeitet uns Luxusartikel leisten zu können aber wie dankbar sind wir denn für unseren Arbeitsplatz? Erwischen wir uns nicht eher dabei, wie wir über den fordernden Chef schimpfen, uns über faule Kollegen ärgern oder über dem Aktenberg verzweifeln der auf unserem Schreibtisch anwächst? Immer mehr, immer schneller und immer weniger Hände – so scheint die aktuelle Entwicklung. Kostensparen, Effizienz steigern. Immer mehr, mehr, mehr….
Aber seien wir doch ehrlich. Wollen denn wir nicht auch immer mehr? Eine größere Wohnung, ein schnelleres Auto, ein Tablet mit mehr Speicherplatz und einen Fernseher mit noch höherer Auflösung. Warum reicht uns nicht mehr was wir haben? Warum streben wir ständig nach höherem, nach mehr, nach angeblich besserem?
Warum halten wir nicht mal inne. Dazu braucht es kein Gotteshaus. Dafür braucht es nur uns, einen stillen Moment, vielleicht sogar vor dem zu Bett gehen. Innehalten, den eigenen Atem wahrnehmen, ein- und ausatmen. Ist es nicht unglaublich dass unser Körper das ganz allein macht? Ein- und ausatmen. Dafür könnten wir dankbar sein. Ein- und ausatmen. Ein Körper der uns mit Sauerstoff versorgt. Und wenn wir schon dabei sind uns nur auf unseren Atem zu konzentrieren, dann ist doch der perfekte, ruhige Moment geschaffen, um Danke zu sagen.
Was ist es, wofür ich heute dankbar bin? Für meine Lungen die mich mit Luft versorgen? Für meinen Körper der mich täglich durch mein Leben trägt? Für die Menschen denen ich heute begegnen durfte? Für meinen Mut mich einer Angst zu stellen? Für ein warmes und weiches Bett? Ein leckeres Abendessen? Freunde? Lebenspartner? Kinder? Danke dass ich heute so herrlich lachen durfte. Danke dass ich diesen wunderbaren Roman lesen darf. Danke dass es Arme gibt die mich fest halten wenn ich gerade jeden Halt verliere!
Es müssen keine großen Hallen mit großen Worten gefüllt werden um sich auf sein Glück zu besinnen und Zufriedenheit zu erfahren. Ein Gespräch mit mir selbst, ein Danke von mir an mich, an jemanden in meinem Leben. Das tut gut, stellt bisheriges in Frage und stärkt meinen Blick in die Zukunft.
Karl Lagerfeld soll einmal gesagt haben: „Dankbarkeit ist ein klebrig-mittelmäßiges Gefühl“.
Dem stimme ich nicht zu. Danke ist ein kleines Wort, das mir hilft mich auf das wesentliche in meinem Leben zu besinnen und es kann grossen Einfluss auf denjenigen haben, zu dem ich, es ohne Vorbehalt und Angst vor zu viel geteilter Emotion, ausspreche.
Dankbar zu sein stärkt mein Gefühl der Zufriedenheit und macht mich glücklich, es beruhigt mich. Denn ich vergesse nicht mehr so schnell was wirklich wichtig ist im Leben und dass die Jagd nach mehr und schneller und besser nur einsam und verbissen macht. Also nutze ich jeden Abend den Moment vor dem Einschlafen um mich zu bedanken – für all’ die schönen Momente des Tages.
Und davon gibt es plötzlich ganz viele.